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Interview/Frauenklang – Gender and Diversity

Interview/Frauenklang – Gender and Diversity

„Das Problem von Musikerinnen ist kein Kompetenzmangel, sondern dass wir uns zu oft einschüchtern lassen“
Das schöne Geschlecht war in der Musikwelt nicht immer so präsent wie heute. Von Frauen komponierte Musik existiert weitaus länger als Frauenfußball oder Frauenparkplätze. Jedoch sprach man kaum über sie – es sei denn, dass sie die Kunst ihrer männlichen Zeitgenossen weit übertraf. In der Musikgeschichte gab es nicht nur Frauen, die sangen oder Pianoforte spielten; klassik-begeistert-Autorin Jolanta Łada-Zielke weckt sie aus ihrem Schattendasein: die Komponistinnen und Dirigentinnen, bedeutende weibliche Künstlerpersönlichkeiten, über die man zu Unrecht nichts oder zu wenig weiß. Sie präsentiert hervorragende Musikerinnen verschiedener Nationalitäten und Kulturen – aus Vergangenheit und Gegenwart. Höchste Zeit, dass Frauenklang ertönt!

Die Pianistin Jui-Lan Huang im Gespräch mit Jolanta Łada-Zielke.

Ihr Klavierspiel hat etwas Mystisches in sich, besonders ihre Interpretation des Stückes „Metamorphoses“ in der Slovenská filharmónia. Sie kann die Dynamik bei Mozarts Sonaten hervorragend schattieren, sie mit der entsprechenden Leichtigkeit aufführen und man kann sehen, dass es ihr gleichzeitig Spaß macht. Mit Beethovens Sonaten geht sie aufmerksam um, fast erhaben, aber auch stellenweise leidenschaftlich und dynamisch.

Jui-Lan absolvierte ihre musikalische Ausbildung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover bei den Professoren Einar Steen-Nøkleberg und Matti Raekallio. Sie bekam Stipendien des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst), der GSSA (Government Scholarships for Study Abroad, Taiwan), von ERASMUS und von „Musik braucht Freunde Hannover“. Heute leitet sie eine Hauptfachklasse am Franz Schubert Konservatorium Wien und gibt Meisterkurse in Europa und Asien.

Als vielseitige Pianistin gibt Huang häufig Soloabende, Klavier- und Kammermusik-Konzerte. Sie ist auf vielen renommierten Bühnen wie dem Konzerthaus Berlin, Gasteig München, Slovenská filharmónia, Auditorio Ciudad de León, Mozarteum Salzburg aufgetreten und nahm an namhaften Musikfestivals teil. Eines ihrer eigenen Projekte ist die gleichzeitig von westlicher Kunst und asiatischer Philosophie inspirierte Konzertreihe „Art of Silence“, in der sie Literatur, Fotografie und eigene bildende Kunst mit Musik verbindet. 

Die bisherigen bedeutenderen Auszeichnungen der Pianistin sind die ersten Preise des Taiwan Trinity College, der London First Piano Competition, der Taipeh County Music Competition, der Taiwan National Music Competition of Baroque sowie der National Victory Trophy. Sie erhielt auch den Sonderpreis der Oscar und Vera Ritter-Stiftung. Jui-Lan beschäftigt sich aktiv mit dem Thema der Stellung von Frauen in der Welt der Musik und fördert Komponistinnen. Kürzlich hielt sie an der Musikuniversität Wien einen Vortrag: „Wenn das Weiterkommen erschwert wird… Hindernisse für Frauen in der klassischen Musikbranche“.

Jui-Lan, in Deinem letzten Online-Konzert hast Du Werke von Beethoven und Lili Boulanger gespielt. Wie bist Du zu ihren Stücken gekommen?

Eigentlich durch Zufall. Ich habe nach weiblichen Komponistinnen recherchiert und bin auf Lili Boulanger gestoßen. Leider hat sie nicht viele Klavierwerke hinterlassen. Sie hat viel Kammermusik und Orchesterstücke mit Chor komponiert, von denen ich besonders „Vieille prière bouddhique“ schätze. Ich liebe ihre Epoche – das Fin de Siècle -, weil es zu der Zeit viele hervorragende Komponistinnen in Frankreich gab. Die damaligen vielfältigen und schöpferischen Strömungen in der Kunst- und Musikszene in ganz Europa sind sehr faszinierend für mich. Die Inspiration zu einigen  meiner Bilder stammt aus dieser Zeit.

 

In der Musik von Lili finde ich Merkmale von Debussy und Camille Saint-Saëns. Ist es genauso mit ihren Klavierwerken?

Ja, es gibt bei ihr einige Ähnlichkeiten mit diesen beiden Komponisten, vor allem mit Debussy. Ich spielte einmal ein paar ihrer Stücke meinen Bekannten vor ohne zu sagen, von wem sie sind. Natürlich erkannten sie sofort den Impressionismus, tippten aber auf Debussy oder Ravel. Sie waren sehr überrascht, dass sie von Lili Boulanger sind.

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Wie bist Du auf die Idee gekommen, Dich mit dem Thema „Gender und Diversität“ in der Musik zu befassen? 

Ich bin in Taipeh aufgewachsen. Meine Mutter kann zwar gut singen, sang aber nur zum Spaß. Ich bin also die erste in der Familie, die Musik ernsthaft gelernt hat und als Beruf ausübt. Schon als sechsjähriges Mädchen wollte ich Klavierspielen lernen, und es hat mich viel Kraft gekostet, meine Eltern davon zu überzeugen. Wie viele Menschen der älteren Generation in Taiwan behaupteten sie, dass man sich als Musiker nicht ernähren kann. Dazu herrschen in meinem Land noch gewisse strukturelle Arbeitsbedingungen und kulturbedingte Überzeugungen, die es den Frauen im Berufsalltag nicht wirklich erlauben sich durchzusetzen. Sie haben zwar mehr Möglichkeiten als früher, letztendlich haben sie jedoch immer ein Nachsehen angesichts der Familie und der patriarchalischen Ordnung.

Als ich nach Europa gekommen bin, habe ich meine Kommilitoninnen beobachtet und bemerkt, dass sie hier viel mehr Chancen als in Asien haben. Allerdings je älter sie werden, desto mehr sind Benachteiligungen spürbar. Ich finde, unser Problem ist nicht ein Kompetenzmangel, sondern dass wir uns zu oft einschüchtern lassen.

Orginal von  klassik-begeistert.de 

Next Video aus Aus der Konzertreihe "Art of Silence"

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